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Die 13 "E" für Tourismus zum Verlieben


Wer als Gastgeber*in möchte, dass Gäste in eine Region, Destination oder ein Hotel wiederkommen, länger bleiben und es aller Welt erzählen, muss seine Gäste verstehen. Im Tourismus sind wir Ingenieure und Konstrukteure für Erlebnisse, Emotionen und perfekte Momente mit wunderbaren Menschen. Was wir verkaufen ist nicht greifbar, sondern erlebbar - und manchmal essbar. In diesem Beitrag teilt Tourismus-Soziologe und Referent Dr. Henryk Balkow als kleine Orientierung die 13 "E" für perfekte Reisen, die gemeinsam mit Dualen Studierenden der IUBH an den Standorten Erfurt und München entstanden, wie hier zu Gast mit Studierendem im Hause "Hauser Exkursionen":

 E wie Emotionen

Emotionen sind die beste Grundlage für Erinnerungen. Was wir zum ersten Mal erleben und was wir besonders sinnlich erleben, findet seinen Weg besser in das Geschichtsbuch unseres Gehirns. Sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen wir etwas, wird das subjektiv unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet. Im Tourismus wollen wir möglichst viele positive Emotionen produzieren und negative möglichst verhindern. Daher sollte man die Gefühlswelten seiner Gäste gut kennen, um perfekte Emotionen zu "produzieren". Dabei sollten wir versuchen, möglichst viel emotionale "Touching Points" zu schaffen. Je mehr jemand involviert ist, desto mehr Emotionen können entstehen, zum Beispiel bei einer Incentive-Reise zum Team-Building, wenn der Coach mit den Teilnehmer*innen am Anfang den "Gordischen Knoten" spielt und dabei durch Kommunikation, Erfolgserlebnisse, gemeinsames Lachen, Interaktion und Berührung ganz simpel und spielerisch positive Emotionen produziert werden.

E wie Erwartungen

Menschen haben unterschiedliche soziale Bedürfnisse in unterschiedlichen Lebensphasen und sozialen Konstellationen (unterwegs als Familie, allein, mit Freunden, als Paar etc.). Zudem haben sie unterschiedliche Vorerfahrungen mit Reisen, Kulturen, Veranstaltern etc. Das trifft nun auf Angebote, die Touristiker auf allen Kanälen machen und wird auch vom Medienkonsum der jeweiligen Zielgruppe (Filterblasen) beeinflusst. Schon wird klar: es ist kompliziert. Wer im Tourismus die passenden Produkte für Zielgruppen entwickeln, muss möglichst viel über demografische Merkmale (Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung, Einkommen etc.) wissen, aber auch über deren Erfahrungen und Situation. Auch hier ist deshalb Aufmerksamkeit geboten. Die gemeinsame, persönliche Erfahrung mit Gästen, das Gespräch und offene Ohr und Herz sind manchmal besser als Big Data. Ob ein Gast am Ende zufrieden ist, hat viel damit zu tun, was er vorher erwartet hat. Daraus bilden sich dann auch Vertrauen und im besten Fall Kundenbindung. Daher gilt: Vertrauen ist die Summe nicht enttäuschter Erwartungen.

E wie Erlebnisse

"Storytelling" ist im Tourismus gerade eines der begehrtesten Buzzwords. Dabei ist das Prinzip so alt wie das Reisen selbst. Jeder kennt den Satz des alten deutschen Dichters Matthias Claudius: "Wenn einer eine Reise tut, der hat was zu erzählen". Gerade in der Postmoderne sind Erlebnisse das, woran wir einen gelungenen Urlaub oder eine besondere Reise messen. Was und wieviel haben wir (gemeinsam) erlebt. Erlebnisse zu schaffen, zu inszenieren und zu orchestrieren ist das wesentliche Werk von Gastgebern. Wir verstehen sie am besten durch den "Customer Journey", indem wir uns in die jeweiligen Zielgruppen, ihre Handlungsweisen/Gewohnheiten (Modus Operandi), Bedürfnisse und Erlebnisse hineinversetzen wie Profiler. So entstehen die besten, individuellen und einmaligen Erlebnisse, die Lust auf mehr machen. Je mehr wie Teil der Erlebnisse sind, also nicht nur Beobachter, sondern auch mitmachender Akteur, desto intensiver I(Emotionen) erleben wir.

E wie echtes Glück

Es gibt viele Wege zum Glück, aber nicht alle sind gleichermaßen intensiv oder nachhaltig. Echtes Glück ist individuelle Gefühlssache, aber soviel ist sicher: mittendrin statt nur dabei fühlt sich intensiver und echter an. Wenn man beim Paddeln vom Rand aus zuschaut oder beim Bungee-Jumping, dann mag das auch unterhaltsam sein und man freut sich vielleicht mit und für andere. Selbst das Gefühl mit dem Boot auf dem Wasser weit weg vom Rand zu haben, das Paddel in der Hand und den Wind zwischen den Ohren - das ist echtes Glück.

E wie echte Kultur

Es gibt so einige Gründe, weshalb AirBnB weltweit so rasant erfolgreich ist. Man muss es nicht mögen und vor allem in den Großstädten und Hot Spots des Tourismus hat das Prinzip ärgerliche Blüten getragen. Von der Grundidee her erfüllt AirBnB jedoch ein wesentliches Grundbedürfnis beim Reisen. Damit ist nicht der günstige Preis gemeint, sondern das authentische Reisen. Gefühlt ein ein Teil der "echten" Kultur einer Region zu sein statt im Standard-Hotel zu wohnen, macht das Erlebnis anders und intensiver. Gastgeber*innen geben sich oft mehr Mühe, gehen mehr auf Gäste ein, interessieren sich, überraschen mit Details und Ausflügen. Man lernt ein land oder eine Region auch von der anderen Seite kennen, nicht nur von der Schauseite aus dem Katalog. Davon können sich alle touristische Anbieter inspirieren lassen und mehr Authentitizät in ihre Gastlichkeit bringen, z.B. durch mehr lokale Zutaten, Materialien, Geschichten, Menschen, Erlebnisse etc.

E wie Erweitern des Horizonts

In einer Welt voller Reiselust, Instagram-Posts aus aller Welt, Selbstoptimierung und Suche nach sich selbst ist Reisen Bildung und Erfüllung. Viel erhoffen sich dabei auch, den eigenen Horizont zu erweitern, sprachliche und kulturelle Kompetenzen zu verbessern, die Allgemeinbildung zu stärken. Manche hoffen, mehr über sich zu lernen, an sich zu arbeiten, zu reifen in den anderen und den Erfahrungen. Es sind die Kontraste, die wir suchen und die uns das Leben spüren lassen. Sie liefern Impulse, sich selbst zu vervollständigen aus das Bild von sich auszumalen. Neue Horizonte liefern zudem viele Impulse für das eigene Leben, schaffen Abwechslung und Mut zu Neuem. Das gefällt vielen, je nach Lebenslage umso mehr. Ob "Culture Seekers", "Young Globalists" oder "Empty Nesters" - viele Zielgruppen im Tourismus erwarten genau dies von ihren Reisen, das war auch schon so, bevor es Marktforschung und so viele fancy Namen für Zielgruppen gab.

E wie Erfahrungen

Dieses Erweitern des Horizonts geht in Erfahrungen über, die man damit sammelt. Sie bilden die Reife eines Menschen, seine Haltungen, Überzeugungen, Anschauungen und damit die Grundlage für künftige Entscheidungen und Wahrnehmungen. Interessant ist dabei auch, wie diese Erfahrungen reflektiert werden, Daher ist es nicht gerade von geringer Bedeutung, ob wir allein oder mit fremden, die zu Freunden werden reisen oder mit der Partnerin, Kollegen, Verein, Freunden, Eltern, Kindern usw. Wir lernen mit Erfahrungen viel über uns selbst, aber auch über unsere Beziehungen zu uns, zu anderen und zur Welt. Das macht Reisen erst richtig spannend und im Nachhinein zu etwas besonders wertvollem.

E wie Essen&Trinken

Wir verbinden schöne Reise-Erinnerungen an Kulturen, Länder oder Orte gern mit bestimmten Köstlichkeiten, die wir auch gern hamstern aus dem Urlaub mitbringen oder im Feinkostladen nachkaufen. Ob es italienischer Wein ist, französischer Käse, polnischen Piroggen, Fisch aus der Nordsee oder äthopischer Kaffee nach arabischer Art ist - es verändert unser Leben durch gefühlte Lebensqualität, sobald wir wieder dazu greifen. Es verbindet uns im Alltag mit schönen Erinnerungen, es schafft Abwechslung zum Alltag und erfüllt mehr als ein Maslowsches, physisches Grundbedürfnis. Es ist Genuss und Lebensfreude und darf in keinem guten Urlaub fehlen. Je lokaler und authentischer, desto besser.

E wie Exklusivität

Früher sind Menschen oft, haben sie ein perfektes Reiseparadies gefunden, gern und treu immer wieder dorthin gefahren. In einer immer stärker individualisierten Gesellschaft im ständigen Vergleich der Möglichkeiten und Wettbewerb der Reize und Versuchungen, is Exklusivität wieder wichtig. Man grenzt sich damit auch von anderen ab. Für manche ist eine exklusive Reise ein Understatement - egal ob es die Luxuskreuzfahrt ist oder die klimafreundliche Segelfahrt. Hauptsache, nicht von der Stange. Exklusivität ist dabei nicht nur das Gefühl der Einzigartigkeit durch das Produkt, sondern auch durch die Art und Weise der Gastgeberschaft, dem Erlebnis als Ganzem. König für einen Tag oder auch mehr. Haben und sein, was andere nicht haben oder sind, gibt uns das Gefühl, etwas besonderes zu sein und das tut manchmal gut, je nachdem wie der Alltag sonst ausfällt.

E wie Eskapismus

Eskapsimus ist Wirklichkeitsflucht und die gehört zum menschlichen Leben dazu. Es geht darum, aus dem Alltag oder dem Leben mal auszubrechen. Ob Computer- und Rollenspiele, Theater, Beziehungen, Drogen, Alkohol, Musik, Festivals, Partys oder Reisen - es gibt viele Wege, dem Alltag zu entfliehen. Problematisch wird Eskapismus nur gepaart mit Suchtverhalten. Ansonsten ist Eskapismus das Kernprodukt im Tourismus. Je besser wir unsere Gäste kennen, desto besser können wir den Kontrast zum Alltag schaffen. Der Mensch sucht im Urlaub und auf Reisen meistens das Gegenteil zum Alltag. Wer im Alltag viel körperlich arbeitet, möchte im Urlaub vielleicht mal All Inclusive verwöhnt werden und die Beine hochlegen. Wer im Alltag viel im Büro vor dem PC sitzt oder im Auto, möchte vielleicht im Urlaub mal hoch in die Berge und sich austoben oder über körperliche Grenzen gehen.

E wie Erholung

Trotz aller Anstrengung, möchte sich letztlich jeder nach einem Urlaub auch erholt fühlen. Das Gefühl kann sich bereits durch den Kontrast zum Alltag einstellen. Oft hat es auch etwas mit der Ausgewogenheit der Erlebnisse und Bedürfnisse zu tun, dem richtigen Maß. Jeder lädt seine Akkus unterschiedlich auf, aber der Kontrast aus Anstrengung und Belohnung aus Erlebnis und Reflexion oder Emotionen und Abschalten ergibt unterm Strich oft ein erholsames Gefühl.

E wie das Extra

Nicht jeder mag Überraschungen, es sei denn, sie sind angenehm. Das "besondere Extra" ist eine angenehme Überraschung, beispielsweise wenn ein Gast etwas "on top" gratis dazu bekommt wie beispielsweise ein Schälchen mit selbst gebackenen Plätzchen des Hauses bei der Ankunft auf dem Hotelzimmer oder dem Gruß aus der Küche im Restaurant. Es sind oft die kleinen Dinge und Gesten, die Freude bereiten und postive Vorzeichen vor alle Erlebnisse setzen ud Erinnerungen bunt anmalen. Mit kleiden Freuden macht man sich Freunde, zufriedene Gäste und vor allem treue, wiederkehrende Gäste, die nicht gleich bei der nächsten Gelegenheit in der Preissuchmaschine opportunistisch zum billigsten Anbieter gehen.

E wie Erinnerungen

Bei allen "E" ging es letztlich um das 13. E: Erinnerungen. Wer auf diesen Wegen positive Erinnerungen produziert, die im neuronalen Netz des Gehirns verankert bleiben, hat mehr Chancen auf Gäste, die weiterempfehlen, die wiederkommen und die länger bleiben. Einmalige Erinnerungen von Gästen sind eine gute Investition in die Zukunft einer touristischen Unternehmung und eine gute Bank. Davon haben alle Seiten etwas und man spürt, dass man eigentlich den besten Job der Welt hat, indem man schöne Erinnerungen "herstellt" wie eine Dirigentin mit ihrem Orchester voller Kontraste eine einmalige, wunderschöne Musik für die Ewigkeit inszeniert, die verzaubert und lange nachhallt.

Um gemeinsam mit Auszubildenden und Dualen Studierenden der Tourismuswirtschaft herauszufinden, wie wir dieser wundervollen Aufgabe in Zukunft noch besser gerecht werden könnnen, haben wir mit dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft ein Barcamp Tourismus veranstaltet:
 

Bei Interesse können Sie über die Ergebnisse gern mehr erfahren. Schreiben Sie an diesen Blog!

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